Stellungnahme zum NZZ-Artikel über uns

Die Presse, the press

Das Homeschooling, die Christen und der Journalismus

Am 8. Juni 2016 kam der NZZ-Journalist Simon Hehli zu uns nach Hause, um für rund zwei Stunden mit mir über Homeschooling zu reden.

Auf der Suche nach einer Familie, die wegen der Religion mit Homeschooling begonnen hatte, wandte sich der Journalist zuerst an Willi Villiger, Präsident des Vereins “Bildung zu Hause”.

Wir sind zwar katholische Christen aber ich wies darauf hin, dass die Reiligion nicht der Hauptgrund sei, weshalb meine Familie mit Homeschooling begonnen hat. Hehli fand, dass wir doch in Frage kämen.

Vielleicht auch aus dem Grund, weil sich sonst niemand gemeldet hat.

Im Mailverkehr zwischen Simon Hehli und Willi Villiger war klar abgemacht, dass der Artikel nur dann veröffentlicht wird, nachdem die Familie (im gegebenen Fall meine Familie) den Text zuerst lesen darf.

Nur aus diesem Grund stimmten wir zu, dass ein Journalist uns besucht und befragt.

Mainstream-Medien berichten nämlich selten neutral oder wohlwollend über Christen. Tatsache ist, dass in der Schweiz und ähnlich in Deutschland und Österreich tendenziös über Christen berichtet wird. Kurz gesagt, handelt es sich um eine subtile Form einer Christenverfolgung, bei der zwar niemand geköpft wird, aber bei der man immer wieder eine unterschwellige Abneigung, wenn nicht gar Hass zu spüren bekommt. Zuweilen hat man den Eindruck, es sei ein Verbrechen, christliche Überzeugungen zu hegen.

Wir nahmen den Journalisten also bei uns zuhause auf, weil wir wussten, dass der Artikel nicht veröffentlicht wird, ohne das wir ihn zuvor gesehen haben.

Auch beim Besuch des Journalisten, hat mein Mann ihn nochmals an die Abmachung erinnert. Ich bekam jedoch den Artikel (Das Böse der Welt bleibt draussen, NZZ, 23. Juli 2016) erst zu lesen, nachdem er online und vermutlich auch gedruckt erschienen war.

Was ich dann zu sehen bekam, war leider eine Bestätigung, dass man dem Journalismus nicht (oder selten) trauen kann. Journalismus muss reisserisch sein, um dem Trieb nach Sensationen zu frönen, manchmal werden Zusammenhänge getrennt und dabei ein entstelltes Bild erzeugt.

In unserem Fall betrifft das nicht so sehr den Artikel selbst, als den Titel und die Einleitung.

Viele Menschen lesen oberflächlich – und da stellt sich eben die Frage: Bleibt man bei Titel und Einleitung hängen?

1. Über dem Artikel prangt ein unangenehm reisserischer Titel, der nach meinem Hinweis, nur leicht abgeändert wurde. (Andere unwichtige Kleinigkeiten im Text, wurden korrigiert.)

2. Im einleitenden Text (unter dem Titel) wird indirekt behauptet, weshalb wir Homeschooling machen. Dabei musste ich mit folgendem Leserkommentar ergänzen:

Der Artikel gibt einiges von dem wieder, worüber ich mit Simon Hehli gesprochen habe. Aber leider wird mit dem stereotypischen Titel und der Einleitung sowie in der mittleren Bildbeschreibung ein falscher Schwerpunkt gesetzt. Beim Homeschooling geht es uns nämlich primär darum, dass sich unsere Kinder, durch die gewonnene Freiheit ohne Schule, optimal bilden können.

3. Meine ich das nur, oder wurden aus den hunderten Aufnahmen gerade die nicht vorteilhaften Bilder für den Bericht gewählt? (Die NZZ-Fotografin fotografierte sehr viel während dem Interview und zusätzlich an zwei Nachmittagen.)

4. Den Artikel selbst finde ich ansonsten recht interessant und ausgewogen geschrieben.

Da aber mit Ausdrücken wie “böse Welt” und so ähnlich gespielt wird, kommt doch unterschwellig Spott zum Vorschein. Man fühlt sich hintergangen,  nicht ernst genommen. Vor allem auch deswegen, weil an mich gezielte Fragen gestellt wurden. Im Artikel sieht man die Fragen nicht, sondern nur die (ungefähren) Antworten.

Und so heisst es plötzlich: “… will sie so vor Stress, Drogen und Sexualisierung bewahren”. Wobei es an dieser Stelle hätte heissen können:

“… und erlebt, wie Kinder auch ohne Schule alles lernen können, mehr Zeit haben, ihre Begabungen zu entfalten und frei sind, überall (nicht nur im Klassenzimmer) zu lernen und verschiedenen Menschen (nicht nur den Klassenkameraden) zu begegnen”!

PS: Möglicherweise war Simon Hehli nicht für Titel, Einleitung und Auswahl der Fotos zuständig. Trotzdem werde ich in Zukunft noch vorsichtiger sein, bevor ich einem Journalisten eine Zustimmung gebe.

PPS: Um falsche Vorstellungen zu unterbinden: im Artikel heisst es “Abstechern in den Buddhismus”. Wir sind nie dem Buddhismus gefolgt, haben uns aber für die Kultur des Tibets interessiert.

Comments

  1. Hallo Berenice,
    das ist genau der Grund, warum wir beschlossen haben mit keinem Journalisten mehr zu kooperieren. Letzendlich gehts immer um die Leserzahlen oder Klicks und beinahe nie um den Inhalt. Meine Familie ist keine Leinwand, auf die die Journalie ihre Vorurteile projezieren kann. Eigetlich fände ich eine ausgewogene Berichterstattung gut, aber unter diesen Vorzeichen hat sich meine Bereitschaft in Ablehnung verwandelt.

  2. Danke für diesen wichtigen Kommentar! Wir fanden das auch irgendwie komisch ausgedrückt. Bei ca. 2 Mio. Homeschoolern ist klar, dass es dort eher normal ist.

  3. Mein Vater hat mir diesen Artikel geschickt. Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, daß Homeschooling in den USA NICHT hitzig debattiert. Homeschooling ist so gut wie kein Thema mehr hier und ganz normal geworden. Ich fand auch, daß man in dem Artikel ein wenig zu viel die typischen Vorurteile über Homeschooling aufgelistet hat und dann seinen Senf dazu gegeben hat. Er war aber auch ein wenig positiver als viele andere deutschsprachigen Artikel. Aber daß er ohne Eure Zustimmung dann veröffentlicht worden ist, ist unverschämt.

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