Antwort von André Stern

Bernice Zieba, Jan Zieba, Homeschool Blog, Homeschooling, André Stern: ...Und ich war nie in der Schule

Der Autor André Stern ging nie zur Schule

Der Buchautor und Homeschooler (oder wie würde er sich selber nennen?) André Stern antwortet auf eine Mail von mir!

(…) Danke für Ihr Feedback betreffend mein Buch: das ermutigt mich, weiterhin von meiner Kindheit ohne Schule zu berichten!
Was Ihre Frage zur Religion betrifft, möchte ich Ihnen mit einem Auszug aus meinem neuen Buch antworten. Ich füge den Auszug hier unten ein.
Herzliche Grüsse,
André Stern

Oft fragt man mich, ob ich einer Religion angehöre. Ich muss dann meist nachfragen: Meinen Sie Religion oder Glaube?
Ich bin frei von religiöser Indoktrinierung aufgewachsen. Aber der Glaube hat in unserem Leben eine echte Rolle gespielt (zum Beispiel gäbe es mich nicht ohne den Glauben meines Großvaters …)
Für mich gibt es viele Begriffe, die größer sind als wir, die wir deshalb nicht verstehen können. Es gibt Strömungen in unserem Leben, die uns tragen, die wir aber mit unserem menschlichen Verstand nicht erfassen können. Dass es Farben gibt, die wir nicht sehen, und Klänge, die wir nicht hören, beschäftigte mich als Kind sehr, denn mir war bewusst, dass uns ein ganzer Teil der Welt somit entgeht. Und dass es gewiss noch viel mehr Dinge gibt, von denen wir nichts ahnen, weil uns die entsprechenden Sinne fehlen. Diese Einsicht hatte für mich direkt mit dem Begriff „göttlich“ zu tun.
Dass manche Menschen anhand der Religion mit dem Göttlichen zu verhandeln versuchen oder Übermenschlichem sehr menschliche Züge geben, störte mich schon immer, ebenso, dass man behauptet, Tiere haben keine Seele.
Aber ich achtete schon als Kind meine Wurzeln und hatte Respekt vor meiner Herkunft vor meinen Ahnen und vor ihrer Geschichte. Traditionen im Allgemeinen sind uns wichtig. Und unser Leben war voller Rituale – Kinder lieben Rituale.
Meine Mutter ist christlicher Abstammung, mein Vater jüdischer. Zwar war ich mit meinen Großeltern im Gottesdienst, habe mit meinen Eltern viele Kirchen besucht (die christlichen Bilder haben mich fasziniert und manches Mal geängstigt) und habe viel über das Christentum gelesen, aber ich habe mich, als ich von Religionen überhaupt hörte, sofort für das Judentum entschieden.
Nach dem Krieg hat mein Vater seine religiöse Erziehung mitsamt seiner deutschen Kultur und Muttersprache fürs Erste abgelegt. Doch ab und zu erklärte er mir im Zusammenhang mit den unzähligen aufregenden Erinnerungen an seine Kinder- und Jugendtage auch die jüdischen Bräuche.
Ab und zu schnappte ich auch einige Bruchteile jüdischer Kultur auf; aber erst mit dreißig wohnte ich im Hause eines befreundeten Regisseurs, mit dem ich gerade arbeitete, dem Schabbesmahl einer jüdischen Familie bei.
In den Tagen und Wochen danach las ich einiges über die jüdische Tradition und konnte viele Elemente zusammenführen. Eines Freitagabends bereitete ich Teig zu, flocht das Brot, richtete kalte Speisen her, spannte ein weißes Tischtuch, bereitete ein Schabbesmahl vor und war gespannt, wie mein Papa reagieren würde. Er machte gleich mit, das Kiddusch wusste er sofort wieder, und wir freuten uns alle über die Wiedereinführung dieser Tradition in unserer Familie.
Seit diesem Tag ist der Schabbesabend für uns ein wichtiger Moment in der Woche geworden, an dem wir versuchen, immer zusammen zu sein.
Für mich ist es ein besonders schönes Gefühl, dass mein Vater durch mich wieder Zugang zu seinen Wurzeln und den Gesten seines Vaters gefunden hat, so wie er Jahre zuvor, als ich begann, Deutsch zu lernen, mit mir diese seine Muttersprache und die deutsche Kultur wiedergefunden hat.
Und für mich ist es ein besonders starkes Gefühl, am Freitagabend das Brot zu flechten, in dem Wissen, das meine Ahnen dies seit 6000 Jahren jeden Freitag getan haben.

(Von meinem älteren Blog hierher kopiert)

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