Das Thema Homeschooling in den Medien
Nachdem ich vom Mamablog des Tages-Anzeigers angefragt wurde, einen Beitrag über das Lernen ohne Schule zu schreiben, gab es darauf eine recht grosse Resonanz. Erst kürzlich hat nun Frau Binder, Politikerin der CVP, noch einmal in ihrem Gastbeitrag darauf gepocht, dass Homeschooling bessere Qualitätskontrollen benötige, obwohl dieser politischer Antrag zurückgewiesen wurde. Die darin enthaltenen Zweifel gegenüber der Qualität des Homeschoolings, beruhen vor allem darauf, dass sie Eltern misstrauisch gegenübersteht, die nicht im Besitz eines Lehrerpatents sind.
In den Kommentaren, die auf meinen Artikel folgten, wurde ebenfalls dieser Punkt angesprochen. Ich hatte im Katalog der Vorurteile gegenüber Homeschooling das Thema unbeabsichtigt ausgelassen. Vielleicht auch deshalb, weil es mir mittlerweile selbstverständlich ist, dass Eltern sehr wohl ihre Kinder unterrichten können, ohne selbst ausgebildete Lehrer zu sein. Zwar trifft dies nur teilweise auf mich selbst zu – ich habe ein Semester lang am Kindergarten- und Hortseminar gelernt und später, schon als Mutter, eine dreijährige Ausbildung zur Katechetin, für das Unterrichten an der Primarschule erworben. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es für Homeschooling keine pädagogische Ausbildung braucht, ausser jene, die sich auf natürliche Weise durch die Elternrolle ergibt.
Hierzu habe ich mir nochmals Gedanken gemacht und ausformuliert. Diesen Artikel als PDF herunterladen.
10 Gründe, weshalb es für Homeschooling kein Lehrerpatent braucht
1. Wenn sich Eltern vornehmen, ihr Kind ohne Schule zu bilden, haben sie sich dies in der Regel sehr gut überlegt. Ein solcher Schritt braucht viel Mut und Verantwortungsbewusstsein. Diese Eltern sind in Bezug auf die Bildung ihres Kindes überdurchschnittlich wachsam und bereit, die Entwicklung ihres Kindes bestmöglich zu fördern.
2. Homeschool-Eltern bilden sich ständig weiter. Sie lernen dabei parallel zu ihrem Kind. Ein Kind stellt Hunderte von Fragen, die eine Mutter/ein Vater oft nicht sogleich beantworten kann. Sämtliches fehlendes Wissen kann aber jederzeit nachgeholt werden, wenn die Bereitschaft dazu da ist. Dafür gibt es Bücher, das Internet und andere Personen im Umkreis, die sich gut auskennen. Auch ein Lehrer an der Schule muss sich für seine Lektionen zuerst vorbereiten. Keine Lehrkraft kann sämtliches Wissen, das sie vermitteln sollte, einfach so aus dem Ärmel schütteln, und muss so Manches nachschlagen oder nachfragen.
3. Kinder haben, bevor sie das Schulpflichtalter erreichen, schon sehr vieles von ihren Eltern oder anderen nahestehenden Personen (Geschwister, Grosseltern …) gelernt. Z.B. lernt jedes Kind von Klein auf eine ganze Sprache fliessend zu reden. Nicht selten sind es zwei oder gar mehr Sprachen. Genauso kann ein Kind ohne offizielle Lehrer alles andere wie Mathematik, Lesen und Schreiben lernen. Der eigentliche Lernprozess geschieht nämlich stets im Kind selbst. Wissensvermittlung hängt nicht von einem Lehrerpatent oder einer pädagogischen Ausbildung ab und kann daher auch durch die eigenen Eltern oder sonstige Personen geschehen.
4. Das Unterrichten in einer Schulklasse unterscheidet sich sehr von Homeschooling resp. Unschooling. Für das Führen einer grossen Gruppe von Kindern braucht es spezielle didaktische Fähigkeiten. Zuhause sind andere Schwerpunkte gefragt, die sich jeweils erst in der Praxis erweisen. Homeschooling ist ein Prozess, der sich bei Kind und Eltern ständig weiter entfaltet. Auch ein Lehrer mit Lehrerpatent müsste, wenn er sich für Homeschooling entscheiden würde, bei Null beginnen. In einer Schule muss ein Lehrer fähig sein, 20 Schüler gut im Griff zu behalten. Im Privatunterricht bestehen hingegen viel mehr Möglichkeiten, Begabungen des Kindes zu erkennen, es individuell zu fördern und sich seinem Lerntempo anzupassen.
5. Auch Kinder und Jugendliche sind fähig sich autodidaktisch zu bilden. Die Eltern spielen dabei insofern eine Rolle, als dass sie das Kind materiell und geistig unterstützen. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele berühmter Persönlichkeiten, die ohne Schule herangewachsen sind und Grossartiges erreicht haben. Dabei wurde ihre Schulbildung nicht immer einfach von ausgebildeten Privatlehrern ersetzt. Oft haben sie ihre Glanzleistungen autodidaktisch erworben.
6. Tausende von Jahren vor der Einführung der allgemeinen Schulpflicht haben Kinder von ihren Eltern und anderen nahestehenden Personen alles gelernt, was es zum Leben brauchte. Wer jetzt den Einwand aufführt, dass wir in einem fortgeschrittenen Zeitalter leben, in dem es eine Allgemeinbildung für alle geben muss, darf nicht vergessen, dass sich das Rad der Zeit weiter dreht. Vor rund 200 Jahren war der Zugang zur Bildung materiell sehr beschränkt. Heute leben wir in einer Zeit, in der sich jeder der will, selbst Wissen aneignen kann. Bücher und andere Medien sind heute, im Gegensatz zu früher, in unbeschränkten Masse käuflich erwerblich oder in Bibliotheken zugänglich. Mit der Erfindung des Internets ist zudem das Aneignen von Wissen oft nur wenige Klicks entfernt.
7. In der Regel haben Eltern ein sehr gutes Gespür für ihre Kinder, sie kennen ihre Kinder am besten und wissen, wo ihre Stärken liegen. Sie glauben an ihre Kinder und wollen das Beste für sie. Ein Lehrer hinkt da hinten nach, denn er kann niemals allen ihm anvertrauten Kindern dieselbe Aufmerksamkeit und Liebe entgegenbringen. Es ist eine den Eltern angeborene Eigenschaft, sich für ihre eigenen Kinder einsetzen.
8. Die Vorstellung, dass Eltern ihre Kinder nicht zufriedenstellend unterrichten bzw. in ihrem Lernprozess fördern könnten, entstammt staatlichen Bevormundung und Misstrauen. Die Gesellschaft wurde seit Jahrzehnten in diesem Geist erzogen. Die Folge, die das nach sich zieht, besteht darin, dass viele Eltern tatsächlich das Vertrauen in ihre eigenen intuitiven Fähigkeiten verloren haben, ihre Kinder selbst zu bilden resp. an ihrer Seite zu lernen.
9. Eltern, die sich für Homeschooling entscheiden, sollte man keine unnötigen Hindernisse auf den Weg legen und zusätzliche Kontrollen fordern. Sie brauchen keine Schikanen, sondern dass man sie in Ruhe lässt und sie auf ihrem mutigen Weg unterstützt. Zahlreiche Homeschool-Eltern, die ihre Kinder auf diese Weise grossgezogen haben, leisteten als Vorreiter einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.
10. Homeschooling fördert die Beziehung von Kind und Eltern sowie die Familie als Ganzes. Viele Familien, die diesen Weg gewählt haben bestätigen, dass sie die Freiheit und die Verbundenheit in der Familie als grossen Vorteil erfahren, ob mit oder ohne Lehrerpatent.
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